Die Initiative AtomErbe Obrigheim findet es skandalös, dass beim Rückbau des AKW Obrigheim (KWO) noch nicht einmal die Vorgaben der bundesweit geltenden Strahlenschutzverordnung eingehalten werden. Nach ihrer Meinung sind die dort vorgesehenen Grenzwerte bereits zu hoch und müssten im Interesse der Menschen niedriger sein. Schon seit mehreren Jahren fordert die Initiative von der Genehmigungsbehörde, dem baden-württembergischen Umweltministerium, einen transparenten Umgang mit dem Thema des „freigemessen“ Materials, das beim Rückbau des AKW Obrigheim anfällt und immer noch radioaktive Stoffe enthält.
Mit Hilfe der sogenannten „Freimessung“ nach der Strahlenschutzverordnung wird ermöglicht, dass aus Atommüll „normaler“ Müll wird, der dann dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz unterliegt. Er kann dann, je nach der Höhe der radioaktiven Belastung, auf Deponien gelagert oder als Müll verbrannt werden oder zur freien Verwertung in den Wirtschaftskreislauf zurückkehren. Die Beteuerung des Umweltministeriums, dass alles „unbedenklich“ sei, kann die Initiative nicht nachvollziehen, denn der Prozess der „Freimessung“ ist sehr kompliziert und es können auch Fehler auftreten.
Dazu kommt, dass für das AKW Obrigheim eine Reihe von Erleichterungen bei der Messung des Materials aus dem Rückbau genehmigt wurde. Statt bei der Messung von Oberflächen engmaschig jeweils 1000 cm2 (d.h. 10 Messungen je Quadratmeter) auf radioaktive Stoffe zu prüfen, braucht, je nach Art der Messung, nur für jeweils 5 oder auch 20 Quadratmeter eine Messung vorgenommen zu werden. Der Nachweis der Oberflächenkontamination kann auch ganz entfallen. Das kann bedeuten, dass eine radioaktive Belastung nicht entdeckt wird.
Wir haben den baden-württembergischen Umweltminister aufgefordert, diese großzügige Praxis der Freigabe zu beenden und im Sinne des Minimierungsgebotes der Strahlenschutzverordnung höhere Anforderungen an Sicherheit und Risikovorsorge zu stellen, bisher ohne Erfolg. Ganz offensichtlich können mit dieser „Freimessung light“ die Kosten für den Rückbau reduziert werden. Es ist zu befürchten, dass das Land diese für EnBW günstigen Regelungen, die aus der Zeit vor der jetzigen grün-roten Regierung stammen, beibehalten wird. Zudem legt ein „Leitfaden zur Freigabe nach §29 StrlSchV“ des Landes Baden-Württemberg nahe, dass auch andere Atomanlagen in den Genuss der Vergünstigungen kommen.
Von der Gesamtmasse des AKW Obrigheim (275.000 Tonnen) sollen mit rund 2.500 Tonnen weniger als 1% übrigbleiben, die langfristig als Atommüll zu lagern sind. Sogar aus dem innersten, am stärksten radioaktiv belasteten Bereich (Reaktordruckbehälter mit Umfeld), in dem rund 4.000 Tonnen abgebaut werden sollen, plant der Betreiber EnBW, nur etwa 600 Tonnen langfristig als Atommüll aufzubewahren. Alles andere will er per Freimessung loswerden. Bekannt ist inzwischen, dass in den letzten Jahren „freigemessener“ Müll aus dem AKW Obrigheim auf den Deponien in Buchen/Neckar-Odenwald-Kreis und Sinsheim/Rhein-Neckar-Kreis sowie im Müllheizkraftwerk Mannheim gelandet ist. Die Initiative AtomErbe Obrigheim fordert, dass der Müll vorläufig im KWO bleibt und dass eine breite gesellschaftliche Debatte über die Hinterlassenschaften der Atomkraftwerke geführt wird, bis klar ist, wie viel insgesamt, auch bei anderen Atomanlagen, anfällt und was langfristig damit passieren soll.
Mehr: http://www.atomerbe-obrigheim.de/2014/08/freimessung-leicht-gemacht/